
„Hinschauen und nicht wegsehen!“ lautet der programmatische Titel des Preises für Zivilcourage, den die Stadt seit 2000 auslobt und dessen Preisgeld vom Kriminalpräventiven Rat (KPR) gestiftet wird. Gleich vier Menschen, die sich den Appell zu Herzen genommen haben, sind gestern in einer Feierstunde im Rathaus mit dem Preis für ihr vorbildliches Verhalten ausgezeichnet worden. Diana Prokopec-Roselius, ihr Mann Marco Roselius, Dominik Ohl und Hartmut Nordbruch sind von Oberbürgermeister Patrick de La Lanne und Kriminaldirektor Jörn Stilke mit der Auszeichnung versehen worden, weil sie „in dramatischen Situationen Kraft und Mut“ bewiesen haben, wie es de La Lanne formulierte, aber eben „keinen Übermut“, wie Stilke ergänzte. „Gegenseitige Unterstützung in der Not, Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein prägen eine intakte Gemeinschaft“, führte der Oberbürgermeister aus. Delmenhorst sei eine Stadt, die für die Kultur des Hinschauens stehe. Der Preis für Zivilcourage ist jeweils mit 250 Euro dotiert.
Die wohl dramatischste Geschichte erlebte das Ehepaar Diana Prokopec-Roselius und Marco Roselius. Sie hörten am Abend des 26. September laute Schmerzensschreie in der Nachbarschaft und eilten zur Hilfe in einem Fall, der sich ihnen bald als Messerstecherei und Familiendrama darstellte, bei dem die Mutter des jungen Täters später ihren Verletzungen erlag und der jüngere Bruder schwer verletzt wurde. Ein Fall, der Schlagzeilen in der Stadt gemacht hat und in dem in Kürze – wie berichtet – der Prozess beginnt. Das Ehepaar habe sich um die Verletzten gekümmert, Beistand geleistet, Rettungswagen und Polizei alarmiert, die Erste Hilfe koordiniert und angesichts des fließendes Blutes beruhigend auf weitere zufällige Helfer eingewirkt. „Zum Glück fanden sich in diesem Fall im Ehepaar Prokopec-Roselius kompetente Helfer, die durch ihr überlegtes und umsichtiges Verhalten sicherlich Schlimmeres verhindert haben“, wird die Preis-Vergabe begründet.
Dominik Ohl aus Lemwerder, 19 Jahre alt und heute Auszubildender in der Sparkasse Bremen, ist der jüngste Preisträger. Er hat im April 2013 als Schüler am Beruflichen Gymnasium Wirtschaft (BBS I) eingegriffen, als ein anderer Schüler ein besonders übles, gezieltes Cyber-Mobbing mit Hilfe einer Facebook-Gruppe startete. Ein Mitschüler Ohls wurde massiv beleidigt und verleumdet. Ohl habe das Cyber-Mobbing nicht tatenlos hingenommen, sondern den Angegriffenen über die Web-Seite informiert, Beweismaterial per Screenshots gesichert und sich an den Vertrauenslehrer gewandt – und sich auch noch lange nach dem Angriff um den Angegangenen gekümmert. „Herr Ohl hat damit mutig Flagge gezeigt für eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber feigen Anprangerungen anderer Menschen im Internet und Mitschüler zu Solidarität ermuntert“, heißt es in der Begründung der Preisvergabe, die de La Lanne verlas.
Mit Hartmut Nordbruch wurde zudem der Kopf des „Breiten Bündnisses gegen Rechts – Delmenhorst bleibt bunt“ ausgezeichnet, auch stellvertretend für das Bündnis. „Nordbruch ist mit besonders hohem persönlichen Engagement und langjähriger Kontinuität in zivilgesellschaftlichen Bündnissen und in der Aufklärungsarbeit gegen den Rechtsextremismus in Delmenhorst aktiv“, so die Begründung. Was mit dem erfolgreichen Abwehrkampf gegen das Vorhaben des Neo-Nazis Jürgen Rieger, das ehemalige Hotel am Stadtpark zu kaufen, begann, hat seit der Gründung des Bündnisses im November 2010 über 100 Initiativen zur Folge ghabt. Nordbruch personifiziere beim Kampf gegen Rechts wie kein anderer den Kernsatz: „Gewaltfrei und auf der Basis des Grundgesetzes“.